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Gedenkzeremonie an „Gleis 17“ : Rede von Staatspräsident Rivlin

11. Mai 2015 · Keine Kommentare · 50 Jahre Israel - Deutschland, deutsch-israelische Beziehungen, Geschichte, Holocaust, Politik

Am Nachmittag des 11. Mai 2015 besuchte Staatspräsident Reuven Rivlin im Rahmen seines Staatsbesuchs in Deutschland die Gedenkstätte „Gleis 17“ in Berlin Grunewald. Von dort aus fuhren in den Jahren 1941 bis 1945 Deportationszüge mit Berliner Juden in die Konzentrations- und Vernichtungslager ab. Präsident Rivlin legte an dem Gedenkort einen Kranz nieder.

Anwesend war neben der Delegation des Präsidenten auch David Gill, der Chef des Bundespräsidialamtes, als Repräsentant der deutschen Seite. Zu den Gästen gehörten unter anderem Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland von jüdischen Gemeinden und Organisationen.

Die Zeremonie umfasste neben Gebeten und Psalmen eine Schweigeminute, bevor Präsident Rivlin eine Rede hielt.

Er sagte:

„Liebe Brüder und Schwestern, Kinder des jüdischen Volkes, sehr geehrte Gäste,

am 28. Februar 1943 stand ein kleines Mädchen mit dem Namen Ruth Mendel genau hier an Gleis 17. Es schneite. Die kleine Ruth wurde auf den Transport Nummer 30 von Berlin nach Auschwitz geschickt. Sie kaufte sich keine Fahrkarte, sie wollte noch nicht einmal wegfahren. Die kleine Ruth wurde auf eine Fahrt ohne Rückkehr geschickt. Ruth wurde in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. Sie war erst sieben Jahre alt.

Ruth war nicht allein. 50.000 Juden wurden von Oktober 1941 bis zum Frühjahr 1945 von Gleis 17 in ihren Tod geschickt. Dieses Gleis war das Gleis des Todes.

Anwohner des nahen Grunewalds sagten später, dass sie “das Grauen nicht bemerkt haben”. Aber “die Steine sprachen”, wie Nelly Sachs schrieb. Und die Steine sagten: “Wer wird im Namen derer sprechen, die nicht mehr in der Lage sind, zu sprechen, wenn nicht wir?”

Liebe Freunde,

das deutsche Volk ist nicht eines Tages mit den Hakenkreuzen des Dritten Reiches aufgewacht. Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Hoffnungslosigkeit wuchsen viele Jahre lang wie ein unentdecktes Krebsgeschwür. Dies war der vergiftete Nährboden, auf dem das Nazi-Monster ungehindert gedeihen konnte.
70 Jahre sind vergangen seitdem der letzte Transport Gleis 17 verlassen hat; nichtsdestotrotz werden faschistische und neonazistische Bewegungen auf europäischem Boden wieder stärker und stärker.

Gleichgültigkeit, Teilnahmslosigkeit und Verleugnung sind keine Antwort. In einer Welt, die mit barbarischem Terror und Hass überflutet wird, in einer Welt, in der die Spannungen zwischen Kulturen und Ideologien stärker werden, fordert der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus und Fundamentalismus von uns, wachsam und entschieden zu sein.

Wir müssen uns daran erinnern: Die Demokratie allein macht uns nicht immun gegen Nationalismus und Faschismus. Keine Nation ist immun gegen Antisemitismus. Keine Nation ist immun gegen Fremdenfeindlichkeit. Keine Nation ist immun gegen Extremismus und Fundamentalismus.

Hier an Gleis 17 müssen wir uns verpflichten, dem Hass in die Augen zu sehen.

Nur durch die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gemeinden und verschiedenen Ländern können wir uns jedweden Angriffen auf die Menschenwürde entgegen stellen. Dies ist unsere Verpflichtung. Dies ist unsere Aufgabe.

Mögen die Seelen unserer Schwestern und Brüder im Bund des Lebens verbunden sein. Und möge ihr Andenken für immer in unseren Herzen sein.“

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