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Wagner sollte geächtet bleiben

28. Juli 2011 · 1 Kommentar · Allgemein, Geschichte, Gesellschaft, Holocaust, Kultur

Von Giulio Meotti

Warum sollte die Musik Richard Wagner im jüdischen Staat oder von israelischen Orchestern im Ausland nicht gespielt werden? Das Israel Chamber Orchestra bricht das Tabu und spielt Wagner in Bayreuth, in Deutschland. Das Orchester wird vom israelischen Kulturministerium ebenso unterstützt wie von der Stadt Tel Aviv und der Bank HaPoalim.

Die „Ächtung“ Wagners in Israel ist nicht offiziell. Der Oberste Gerichtshof hat vor einigen Jahren entschieden, dass es nicht illegal ist, seine Musik aufzuführen. Doch diese Praxis geht zurück bis zur Gründung des jüdischen Staates 1948.

Warum besteht Israel darauf, solche universalen Meisterwerke wie Tristan und Isolde oder Die Meistersinger nicht zur Aufführung zu bringen? Ganz sicher, weil Wagner ein notorischer Antisemit war und weil Hitler seine Musik geliebt hat. Doch es gibt noch einen tiefer gehenden Grund, und dieser hat etwas mit künstlerischer Verantwortung zu tun.

In Israel spielen die Konzerthäuser die 1937 geschriebene Carmina Burana obwohl ihr Komponist Carl Orff ein glühender Nazi war. Warum ist also Wagner, der fünfzig Jahre vor der Machtübernahme durch Hitler starb, weiter geächtet? Ist das nicht irrational? Ist das nicht unlogisch? Richard Wagner war, das versteht sich von selbst, kein Nazi. Er starb fünf Jahre, bevor Hitler geboren wurde. Doch sein Hass auf die Juden war, wie der Judenhass Hitlers, mehr als nur ein Spleen: Er war das Herzstück seiner megalomanischen Weltsicht.

Die Arien aus dem Tannhäuser und dem Lohengrin begleiteten die „Endlösung“ und den Holocaust. Dort, in den Gaskammern, endet der Glaube daran, dass „Wahrheit Schönheit ist und Schönheit Wahrheit“. Wir müssen also verstehen, dass die Ächtung Wagners sich nicht auf seine Musik bezieht, ja sogar nicht einmal auf den Menschen Wagner. Es geht um seine Ideen.

Ich denke nicht, dass Wagners Antisemitismus es rechtfertigen würde, seine Werke beispielsweise aus dem Repertoire des Boston Symphony Orchestras zu entfernen. Doch es ist angemessen, wenn es einen Ort auf der Welt gibt, wo man Wagners Musik nicht aufführt, und zwar einzig wegen der hasserfüllten Ideologie des Mannes, der sie geschrieben hat.

Wagner war für Hitler ein Idol, und der deutsche Komponist hat aus seinen Ansichten keinen Hehl gemacht. Er selbst hat sich offen dazu bekannt, dass Antisemitismus Teil seiner Weltanschauung sei. Thomas Mann, der bedeutendste deutsche Schriftsteller des zwanzigsten Jahrhunderts, schrieb noch während des Dritten Reiches: „Es steckt viel ‚Hitler‘ in Wagner“.

1850 veröffentlichte Wagner sein antisemitisches Pamphlet „Das Judenthum in der Musik“. Darin machte er sich daran, die scheinbare Hässlichkeit des jüdischen Bildnisses und Geistes, der jüdischen Tradition und Sprache, sowie der Synagogal-Musik „aufzudecken“. Wagner rief die Deutschen zur Bildung einer Einheitsfront gegen die Juden auf und verlangte ihren Untergang. (Jahre später geschah dies wirklich in Sobibor, Chelmno, Treblinka, Birkenau und Belzec.)

Wagner hoffte auch, dass die Lösung der „Judenfrage“ durch jüdische Selbstzerstörung gefunden würde. Möglicherweise hat er hier an Assimilation gedacht. (Ironischerweise waren die Wagner-Opern dafür bekannt, bei assimilierten Juden sehr beliebt zu sein.)

Für Überlebende des Holocaust wurde Wagner daher ein untrennbarer Bestandteil der Nazi-Ideologie und eine ständige Erinnerung an das Böse, das mit den Judenboykotten in den dreißiger Jahren begonnen hatte und in den Gräueln der Gaskammern endete. Aus diesem Grund sollte die Musik Wagners nicht aufgeführt werden, solange auch nur ein einziger Überlebender des Holocaust am Leben ist, der sich dadurch verletzt fühlen könnte.

Solange es einen Holocaust-Überlebenden gibt, der noch weint, wenn er Wagner hört, sollten israelische Orchester darauf Rücksicht nehmen, wenn sie auftreten – und dabei zu großen Teilen aus öffentlichen Mitteln finanziert werden.

Doch es gibt noch einen anderen Grund für die Ächtung Wagners. Heute, da Antisemitismus und Antizionismus in Europa und der westlichen Welt wieder erstarken, da viele Intellektuelle, Wissenschaftler, Künstler und Journalisten internationale Verbrechen gegen Israel und Juden decken, da das Leugnen des Holocaust sich weltweit verbreitet, erinnert die Ächtung Wagners daran, dass Ideen, Ideologien, Artikel und Bücher in der Realität Konsequenzen haben. Sie soll daran erinnern, dass Menschen, die gefährliche Ideologien verbreiten, für die Konsequenzen zur Verantwortung gezogen werden. Auch wenn sie Genies sind. Von Teheran bis Kairo gilt: Solange Antisemiten zu einer neuen Shoah aufrufen, sollte Richard Wagners Musik eins sein: verboten.

Die auf dem Blog veröffentlichten Kommentare geben nicht grundsätzlich den Standpunkt der israelischen Regierung wieder, sondern bieten einen Einblick in die politische Diskussion in Israel.

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Ein Kommentar bisher ↓

  • Hubert Reiner

    Vielleicht sollte es man doch wagen, Wagner in Israel zu spielen. Nur um zu beweisen, dass der böse antsimitische Geist dieses Mannes, ein starkes und selbstbewusstes Judentum und ein starkes Israel nicht erschüttern kann. Das Israel von heute steht doch über diesen Dingen. Vielleicht sollte man es wirklich wagen, wenn die Überlebenden der Nazi-Greuel nicht mehr leben, um deren verständlichen Gefühle nicht zu verletzen – sie haben genügend gelitten. Shalom als Israel

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