Botschaft des Staates Israel in Berlin

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Kommentar: Journalismus gegen alle Regeln

12. Oktober 2015 · 3 Kommentare · Araber, Armee, deutsch-israelische Beziehungen, Hamas, In eigener Sache, Jerusalem, Journalismus, Kommentar, Politik, Religion, Sicherheit, Terror

Auf so eine Überschrift muss man erst mal kommen. Da sticht ein Palästinenser auf ein jüdisches Ehepaar ein, mitten in der Altstadt von Jerusalem, die heraneilenden Polizisten eröffnen das Feuer auf den außer Kontrolle geratenen Messerstecher, um sich und andere Zivilisten zu schützen. Auch der britische Sender BBC berichtete über diesen Mordanschlag auf zwei Zivilisten vergangene Woche, doch beim BBC wählte man die Überschrift: „Palestinian shot dead after Jerusalem attack kills two“. Es ist gar nicht so leicht, diese verquere Überschrift ins Deutsche zu übertragen, sie klingt etwa so: „Palästinenser erschossen nachdem Angriffe in Jerusalem zwei Menschen töteten.“ Stellen wir uns kurz vor, in einer deutschen Innenstadt würde ein Ehepaar mitten auf der Straße erstochen – und die Zeitungen im Ausland würden sich in der Überschrift vor allem dafür interessieren, dass Polizisten zur Verteidigung auf den Angreifer geschossen haben anstatt über den wahren Horror zu berichten, der geschehen ist: ein Mord mitten auf der Straße. Gewöhnlich würde kein Journalist infrage stellen, wie hier die Nachricht zu lauten hat.

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In diesen Tagen rollt eine Welle der Gewalt über Israel. Und wieder scheinen in einigen Redaktionen andere Gesetze zu gelten – das beobachten wir auch bei einigen deutschsprachigen Medien. Die britische BBC immerhin korrigierte ihre Überschrift nach mehrfacher Beschwerde durch das israelische Government Press Office (GPO) und schrieb, wenn auch zögerlich, eine Schlagzeile über den Artikel, die selbstverständlich gewesen wäre: „Jerusalem: Palästinenser tötet zwei Israelis in der Altstadt“.

Besonders verstörend: in diesem Fall war es eindeutig, von wem die Gewalt ausgegangen war. Wenn nicht einmal in solchen Fällen klar darüber berichtet wird, wie soll es dann erst aussehen, wenn die Lage für die Journalisten zunächst verworren ist?

Auch in deutschsprachigen Medien finden wir erneut Beispiele für Verzerrungen, viele aufgebrachte Leser schicken der israelischen Botschaft in Berlin in diesen Tagen Beispiele. Auch Bloggern entgeht der zuweilen verbreitete Unsinn nicht. So meldete Focus Online: „Weitere Messerattacken in Israel: sechs Verletzte“ und verschweigt in der Überschrift, dass es Israelis waren, die angegriffen wurden. Der österreichische ORF berichtet: „Fünf Palästinenser bei neuer Gewalt in Nahost getötet“ und hält dem flüchtigen Leser damit vor, dass es sich bei dem abstrakten Begriff „neue Gewalt“ ganz konkret um bewaffnete Angriffe auf israelische Bürger handelt. Die Rheinische Post entblödet sich nicht, in einer Schlagzeile von „jüdischen Racheakten“ zu sprechen und lässt die Frage offen, ob damit das klischeehafte „Auge um Auge“ gemeint ist oder schlicht die Stigmatisierung des „Jüdischen“ überhaupt als Rachereligion. Da mag es beinahe trösten, dass zahlreiche Medien in dieser Woche ein Bild von auf der Straße betenden Muslimen mit der Unterschrift „gläubige Juden“ versahen – hier handelt es sich offenkundig um Unwissenheit in den Redaktionen – die allerdings auch gefährlich sein kann.

Nach einem Terrorangriff in Jerusalem am 8. Oktober

Nach einem Terrorangriff in Jerusalem am 8. Oktober

Interessanter wird es, wenn deutlicher formuliert wird, wer die Schuld an der Eskalation trägt. So hören wir im Deutschlandfunk unter dem Titel „Bilder, die einen Aufstand befeuern“, dass die israelische Gesellschaft verroht sei. Mehr noch:  „Die [israelische Gesellschaft] verroht, weil sie vom eigenen Militär geprägt ist, einer Besatzungsarmee, deren Soldaten mit immer größerer Brutalität gegen die Steinwerfer vorgehen.“ Dass sich die Armee immer wieder gegen Angriffe verteidigen muss und deshalb auf Abschreckung setzt, wird nicht erklärt. „Das sind die Bilder, die einen Aufstand befeuern. Eine Umkehr, weg von der Gewalt, zurück zur Politik, wird Israel immer schwerer fallen.“

Die Israelis haben also selber Schuld an der Brutalität der Angriffe auf sie – so muss man den Kommentar im Deutschlandfunk wohl verstehen. Dabei wäre auch die von der Öffentlichkeit in Israel längst geführte Debatte über angemessene Mittel beim Vorgehen gegen Angriffe  mit legitimen journalistischen Mitteln zu transportieren. Eine offene Diskussion darüber gibt es, wie in jeder funktionierenden Demokratie, auch in israelischen Medien und auch die „Welt“ informiert ihre Leser über das „Dilemma“ der Sicherheistkräfte.

Und anders als der Kommentar im „Deutschlandfunk“ erinnert etwa die Korrespondentin Susanne Knaul in einem Bericht für die „Berliner Morgenpost“ daran, woran sich die jüngsten Gewalttaten überhaupt entzündet haben: „Unruheherd der aktuellen Krise ist der Tempelberg, der schon voriges Jahr im Zentrum heftiger Auseinandersetzungen stand. Israels Regierung hatte mehrfach versichert, nicht am Status quo zu rühren, trotzdem hält sich das Gerücht unter Palästinensern, Israel wolle die Muslime von dort vertreiben.“

Wer solche „Gerüchte“ eigentlich streut und damit Menschen gegen israelische Bürger aufhetzt – das wird in einigen Artikeln in deutschen Medien so auffällig verschwiegen, dass es kein Versehen sein kann.

(Botschaft, 12.10.15)

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